Quelle: Photo by Jason Strull on Unsplash


Autor*innen: Jens Hündling & Heidi Dommaschke

Unglaublich, was das Jahr 2020 mit unserer Art zu arbeiten gemacht hat. So einen verrückten und schnellen Wandel hat niemand auch nur ansatzweise voraussehen können. Im Rückblick werden naturgemäß viele etablierte Strukturen in Frage gestellt und neue Ideen entworfen, wie wir arbeiten werden und wollen. So auch im 36. New Work Berlin Meetup, das sich die Gestaltung von zukünftigen Arbeitsumgebungen zum Thema machte wie schon in den letzten beiden Meetups natürlich online. Spätestens seit dem 2. Lockdown sind wir daran gewöhnt, im Homeoffice Videokonferenzen, Co-Kreative Online-Meetings Projekt-Updates, Webinare, Sales Pitches, Vorstellungsgespräche, ganze Onboarding-Prozesse und Teambuilding parallel durch 5 verschiedenen Tools durchzuführen. Brauchen wir dann überhaupt noch das Office?

Dazu gibt es sicherlich keine klare Antwort, ist das Thema doch viel komplexer als auf den ersten Blick scheint. Allerdings ist das Home Office auch nicht immer Spitzenklasse. Verschobene oder manchmal sogar entgrenzte Arbeitszeiten, Arbeiten am Küchentisch, die Familie 24/7 zusammen, schlechte Internetverbindung und Meetings nur noch transaktional. 

Ein weiteres Problem des Home Office ist die oft abnehmende zwischenmenschliche Beziehung zu Arbeitskollegen. Ohne das Büro, wo findet da der informelle Austausch statt? Die Zeit nahm sich Meetup in den ersten 10 Minuten. Es waren viele New Work Berlin Fans pünktlich und es gab einfach Smalltalk bis zum Impuls-Vortrag von Julia Hermle. Im Arbeitskontext ist das oft (leider noch) nicht so.

Kaffee und Büro - Erkenntnisse des Coffee Circle 

Seit 10 Jahren setzt die Berliner Kaffeerösterei Coffee Circle neue Standards für fairen Handel und hohe Kaffeequalität. Neben direkten Handelsbeziehungen mit ihren Partnern investiert Coffee Circle einen Euro pro Kilogramm Kaffee in die Anbauregionen. Dadurch wollen sie das Leben der Farmer und ihrer Familien verbessern.

Neben dem Online-Verkauf an Privatpersonen und dem Kaffeeverkauf im Café in Wedding, wurden vor der Pandemie monatlich sieben Tonnen Kaffee an über 400 Büros deutschlandweit versandt. Eine Menge Bürokaffee. Dann kam der erste Lockdown und gefühlt gab es eine Woche, in der alle Office-Manager*innen anriefen um Kaffee Bestellungen zu stornieren, berichtete Julia. Dies führte zu 70% Umsatzeinbruch im Firmenkundenbereich. Nun war handeln gefragt und so wurde umgestellt bspw. auf Care-Packages für Mitarbeiter im Home Office, Kaffee Gutscheine und ähnliches.

Die Corona Pandemie ist VUCA

Dieses für Corona sehr typische VUCA Szenario traf den Coffee Circle hart. Nach dem ersten Schock bleibt die Frage: Wie geht es weiter?  Was wird aus den Arbeitsplätzen und Büros in der Zukunft? Was bedeutet das dann auch für die Lieferanten von Büros wie Coffee Circle? Was bleibt vom Home Office und was bedeutet dieser gesellschaftliche Wandel eigentlich langfristig? Welche Auswirkungen hat das für die ganze Idee des Coffee Circles und letztendlich ihre Kaffee-Produzenten?

Umfrage des Coffee Circles

Coffee Circle startete daraufhin im September 2020 eine Mini-Umfrage und Julia stellte ihre Erkenntnissen zum Thema “Future of Work” im Meetup vor (die Ergebnisse sind natürlich nicht repräsentativ):

  • Vor allem in Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeiter*innen gab kaum Planungen für die Arbeitsplatz-Strategie (bspw. Remote oder Office) der Zukunft

  • Die meisten vermuten, dass

    • in Zukunft vor allem hybrid gearbeitet wird

    • es Änderungen geben wird und nicht wieder alles zurück wie vor der Pandemie

    • die Büroflächen im Grunde gleich bleiben werden

  • Die Teilnehmer der Umfrage äußerten sich recht unterschiedlich zu Auswirkungen des Home Office: 

    • Ein Teil sieht keine signifikanten Änderungen in der Beziehung zu den Kolleg*innen

    • Ein anderer Teil fühlt sich weniger verbunden und teilweise leidet auch die Arbeit darunter.

    • Es gab aber auch Teilnehmer, die sich enger verbunden fühlten durch die aktuellen Arbeitsumstände.

Julia berichtet auch von Anmerkungen bei der Umfrage, dass Büros nun oft als ruhiger und trauriger wahrgenommen wurde und es einen erhöhten Bedarf an Hygiene gab. Die Bürogespräche ins digitale zu verlagern ist gar nicht so einfach. Verschiedene Formate wurden überall ausgetestet. Auch der Coffee Circle experimentierte mit virtuellen Kaffee-Treffen und Online-Feierabendbier. Die Umfrage und auch das Feedback der Meetup Teilnehmer zeigte: ein virtueller Coffee-Room wird nicht so richtig genutzt und ist einfach kein gleichwertiger Ersatz. 

Es bleibt die spannendste Frage für Julia: Wie schafft man es, die informelle Kommunikation ins digitale zu verlagern? julia@coffeecircle.com freut sich über einen Austausch.

https://www.cultureamp.com/case-studies/coffee-circle

https://www.digitalkompakt.de/podcast/remote-work-hubspot/

Das MeetUp diskutiert 

Basierend auf diesen Erkenntnissen vertieften die Teilnehmenden in Kleingruppen verschiedene Fragestellungen wie "Was sind hybride Arbeitsmodelle?", "Wie können wir informelle Kommunikation fördern?" und "Wie sollten Unternehmen solche Strukturen unterstützen?". Hier flossen viele Erfahrungen der letzten Monate ein und wurden gemeinsam Lösungen für Herausforderungen entwickelt. Was so eine Diskussion immer wieder mit sich bringt: den Blick für unterschiedliche Wahrnehmungen auf die scheinbar gleiche Sache. Was für einen ein Problem darstellt, ist für jemand anderen eine Erleichterung. Wenn sich der äußere Rahmen auflöst oder zumindest noch nicht ganz greifbar ist (allein durch die Tatsache, dass wir jetzt, nach einem Jahr Corona-Alltag noch immer nicht wissen, wie Normalität wieder aussehen wird) - werfen wir gerade ganz grundsätzliche Fragen auf. Was brauchen wir wirklich für gute Zusammenarbeit?

Beziehung und Verbindung

Mit der Pandemie zog die einhellige These von der sozialen Trennung ein. Und weil an fast allen Ecken und Enden der Fokus auf zu erledigende Aufgaben liegt, weil wir Zeit und natürlich Geld verlieren, scheint das Menschliche auf der Strecke zu bleiben. Die Diskussion zeichnete allerdings ein anderes Bild, viele machten gute Erfahrungen mit Methoden, die statt Effektivität und Leistung Kooperation und Kommunikation in den Vordergrund stellen.  Dazu gehört allerdings einiges an Investition und Reflexion seitens der Unternehmen: Welchen Einfluss hat das aktuelle Working Setup auf Mitarbeiter-Beziehung? Wie können wir Beziehungen stärken? Hier ein paar Impressionen auf dem Meet Up:

Wofür werden Büroräume zukünftig genutzt?

Die Verteilung von Raum spielt eine große Rolle, gesellschaftlich und wirtschaftlich. So könnten überflüssige Büroflächen vermietet werden. Die übrigen, wirklich genutzten Räumen werden statt regulärem festen Arbeitsplatz dann vor allem eingesetzt und gestaltet für: 

  • Teamwork

  • Kundentermine

  • Teamevents oder als reale Zusammenkünfte geplante Teammeetings

  • Flexi Desks-Areas

Daraus ergibt sich also die Chance, Erlebnisräume schaffen, die zwischenmenschliche Verbindungen und Kommunikation ermöglichen: Sporträume, Bar, Bibliotheken, Kaffeelounge, Ruheraum und vieles mehr. Ohne konkrete Anmoderation, Themen oder Konzepte der Erlebnisräume werden diese jedoch vermutlich nicht genutzt. Die Hoffnung ist auch, dass mehr Achtsamkeit für Farben, Licht & Pflanzen da ist und damit dem Bedürfnis eines persönlichen Treffens mit einem richtig guten Büros Rechnung getragen wird. Wird Geld eingespart, sollte es in die Ausstattung der Räume, der Mitarbeiter und dem sozialen Miteinander zu Gute kommen. 

Wie könnten Büroräume in Zukunft gestaltet sein? 

Besonders kontrovers wurden flexible Arbeitsplätze diskutiert. Die Teilnehmer*innen brachten unterschiedliche Erfahrungen und Beobachtungen mit. Die folgende Tabelle stellt einen Auszug der Erkenntnisse dar.


Weitere Ideen Büro-Räume der Zukunft:

  • großzügige Platzgestaltung für interaktives Arbeiten in kleinen Gruppen

    • auch Kammern für 2 Personen zum gemeinsamen Arbeiten

    • Schallsichere Räume für Telefonate

    • Abschirmung für vertrauensvolles Reden muss möglich sein

  • Auswirkungen der Pandemie diskutiert: erhöhter Hygienebedarf

    • Weniger Flächen, die mit Händen berührt werden müssen und die Verteilung von Keimen begünstigen

      • Türen, Lichtschalter, Lüftungs- & Heizungssteuerung

      • Intelligente Räume mit Automatisierung für Klima, Licht etc. 

    • Luftaustausch: Gute Ventilation und bspw. Klimaanlage mit Filtern für Krankheitserreger

    • mehr Gelegenheiten zum Hände waschen und desinfizieren

Nicht Alles Neu

Der Diskurs über Future of Workspaces darf natürlich interdisziplinär gedacht werden, denn hier kommen nahezu endlos viele Komponenten zusammen, die miteinander in Verbindung stehen. Über die Gestaltung von Arbeitsplätzen der Zukunft wird auch nicht erst seit Corona diskutiert, und viele Ideen sind längst vom Reißbrett in die Wirklichkeit übertragen. Hier zeigt sich ein genereller Mindshift im Sinne von New Work. Neue Konzepte brauchen dabei aber mehr als innenarchitektonische Lippenbekenntnisse und müssen sich auf Bedarf genauso wie auf eine Praktizierbarkeit für die Nutzer konzentrieren. Unzählige Co-Working-Spaces und neue Unternehmensarchitekturen zeugen bereits  davon, wie auf die neuen Anforderungen von Arbeit eingegangen werden kann und auch, welche Konzepte dabei aufgehen und welche nicht. Culture follows Structure?

Wenn hybride Arbeitsmodelle zur Normalität werden, bleibt die Frage, wie wir auch im Home Office Workplace verankern können, eigene individuelle Arbeitsweisen integrieren und darüber hinaus mit dem Team verbunden bleiben. Zugehörigkeit ist letztlich eines unserer essentiellsten Bedürfnisse. 

Wenn du auch Lust hast, an einem Meetup der New Work Berlin Community teilzunehmen, dann schau doch einfach mal bei Eventbrite nach dem nächsten Meeting. Es gibt jeden Monat eins. https://www.meetup.com/de-DE/New-Work-Berlin/ 


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