Gehaltsverhandlungen in kollektiv geführten Teams

Als Geschäftsführung oder Führungskraft in einem Unternehmen, in dem die Gehälter “klassisch” gemacht werden, trägst du eine enorme Verantwortung. Du musst dir einen Anhaltpunkt suchen, an dem du dich orientierst, dir dein eigenes System schaffen und dieses für Gehaltsverhandlungen auf dem Schirm haben. Du musst außerdem festlegen, wann es zu Verhandlungen kommt und in welchem Rahmen du dich dafür bewegen kannst.

Viele klassische Unternehmen orientieren sich für die Einstellung an Marktwerten und dem Gehaltswunsch des / der Kandidat:in. Ein kleiner Spielraum besteht vielleicht noch mit Urlaub, Arbeitszeiten, Dienstrad und anderen Zuschüssen / Vergünstigungen. Für die Gehaltsverhandlung gibt es normalerweise einen Zeitraum, z.B. einmal im Jahr, und dann einen Spielraum von beispielsweise bis 10% vom bisherigen Gehalt. Dann muss außerdem noch klar sein, ob es “nur” das Geld ist, oder vielleicht auch der Titel geändert werden muss. Ganz schön kompliziert.

In kollektiv geführten Unternehmen funktioniert klassisches Gehalt nicht mehr

Wenn ihr in eurer Organisation in Kreisen und Rollen arbeitet oder vielleicht auch erst gerade damit angefangen habt, funktioniert das alte System nicht mehr. Na klar könntet ihr euch für die Einstellung an Marktwerten orientieren, ABER die stimmen ja nicht für euer System. Bei den Marktpreisen - und das hat auch jede Person, die nach einem neuen Job sucht im Hinterkopf - orientiert man sich an Dingen wie (relevante) Berufserfahrung, Ausbildungsdauer, Verantwortung (Hierarchiestufe).

Wenn ihr in Rollen arbeitet, könnte sich folgendes Szenario ergeben: Lisa ist Entwicklerin, verbringt 40% ihrer Zeit mit Front-End-Aktivitäten, den Rest der Zeit teilt sie sich auf für Team Management Aktivitäten wie Meeting Host, Coach, Repräsentantin und Ökonomin. Wie könnte das klassische Gehalt hier angewendet werden? Teilt man die 100% der Zeit auf auf die verschiedenen Rollen, weist dann jeder einen Betrag zu und nimmt den Durchschnitt? Und was, wenn sich eine Rolle plötzlich ändert, sie eine abgibt, oder einfach eine weitere hinzunimmt? Wird dann alle drei Monate das Gehalt angepasst?

Es braucht ein neues System & einen Dialog

Für genau solche Beispiele, von denen ihr - je nachdem wie lange ihr bereits “im Kreis” arbeitet - selbst genügend einbringen könnt, muss es ein System geben. Es muss klar sein, dass ich nicht aufgrund von Existenzängsten oder dem Wunsch nach mehr Gehalt, Rollen annehme oder ausschlage, die mir liegen, in denen ich mich selbst wieder finde und in denen ich einen unglaublich großen Mehrwert für das Team schaffen kann.

Der einzige Weg zu diesem neuen System ist ein Dialog. Ihr müsst in und mit eurem Team einen Dialog über Gerechtigkeit und Geld starten. Geld ist immer sehr stark an Gerechtigkeit gekoppelt und viele Menschen sind auch sehr stark geprägt, welche Aussage Geld über sie trifft. Sätze wie “Ich bin ein armer Schlucker” oder “Ich habe es geschafft” sind mit Geld, Status, Anerkennung und Erfolg verknüpft. Und genau dafür gibt es keine allgemeingültige Formel. Es kann nur eine Gehaltsformel geben, die genau für euer Team passt.

Diese Formel müsst ihr gemeinsam entwickeln und sie beginnt nicht beim Ergebnis, sondern beim “Drüber reden”.

  • Was bedeutet dir Geld?

  • Wofür brauche ich es?

  • Wie verändert sich dein Selbstbild, wenn du 100T Euro mehr im Jahr verdienst?

  • Was ist für dich gerecht? Was läuft hier im Team mit Blick auf das Geld und ganz allgemein gerade unfair ab?

  • Soll Leistung oder Fürsorge, Ganzheitliches Denken oder Umsatz entlohnt werden?

  • Aus welchen Gründen bin ich aktuell zufrieden oder eben nicht zufrieden mit meinem Gehalt?

  • Woran genau liegt das? Liegt es an der absoluten Höhe oder eher an anderen Faktoren wie beispielsweise “Ich leiste genauso viel wie… aber die Person verdient mehr”

  • Was müsste passieren, damit ich noch zufriedener bin?

Ein Gespräch anzustoßen ist ein erster, sehr sehr wichtiger Schritt in Richtung New Pay. Der Dialog dazu könnte sehr emotional werden, aber alles was nicht ausgesprochen wird, wabert unter Umständen unter der Oberfläche weiter und explodiert irgendwann. Die Themen sind sowieso da, besprecht sie.

Im Verlauf der Gespräche - es werden höchstwahrscheinlich mehrere - nähert ihr euch einem gemeinsamen Gerechtigkeitsverständnis an. Das heißt nicht, dass am Ende alle das gleiche gerecht finden, sondern, dass ein ständiges abwägen und einander entgegen kommen, Kompromisse eingehen usw. stattfindet.

Zu einem neuen Gehaltssystem

Schließlich könnt ihr gemeinsam überlegen, worauf ihr euch einigen möchtet, wenn es um eurer neues System geht. Es muss klar sein, dass es bestimmte Bedingungen gibt, die eine Person wie die Rolle “Ökonom:in” oder Geschäftsführung, festlegt. Das könnte beispielsweise etwas sein wie: die Gehälter dürfen in ihrer Summe maximal 60% vom Umsatz betragen oder die Gehälter dürfen maximal so hoch gesetzt werden, dass wir stets einen Runway von 6 Monaten haben.

So kann jede Person im Team unternehmerisch denken und das große Ganze im Blick behalten. Im Dialog kann das Team sich nun überlegen, wie das neue System aussehen soll. Hier haben wir euch einige hilfreiche Links zusammengestellt:

Die Gerechtigkeit im Blick behalten

Für den gesamten Prozess und auch das neue System an sich, solltet ihr auf jeden Fall im Blick behalten, dass es “objektiven” Gerechtigkeitsparametern stand hält. Wichtig dabei ist, dass es verschiedene Formen von Gerechtigkeit gibt, die im neuen System unbedingt bedacht werden sollten.

Die Verteilungsgerechtigkeit - also wie viel bekommt jede:r - ist dabei nur eine Form. Es ist auch sehr wichtig die Prozess- und interpersonale Gerechtigkeit im Blick zu behalten. Einen sehr schönen Artikel dazu haben wir hier auf unserem Blog veröffentlicht “Grundlagen von New Pay - Was wirklich zählt” und der Artikel von Susanna Baldwin “Organizational Justice” gibt einen sehr guten Überblick zu den verschiedenen Gerechtigkeitsformen.

Viel Spaß beim Diskutieren in eurem Team

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