Don’t fear the beast! Wie uns Konflikte nutzen und was wertschätzende Kommunikation damit zu tun hat

Photo by Frank Busch on Unsplash


Innovation geschieht, wenn verschiedene Meinungen gehört und genutzt werden, wenn Teams lernen, sich gut zuzuhören und trotz verschiedener Perspektiven gut zusammenzuarbeiten. Innovation ist nicht immer ein Ponyhof mit regenbogenfarbigen Post-Its in fancy Offices. Oft bedeutet Innovation einen Konflikt zu lösen und basierend auf den verschiedenen Perspektiven neue Entscheidungen zu treffen oder neue Wege zu gehen. Wer innovativ sein will, muss hinsehen und sich aktiv mit Meinungsverschiedenheiten auseinandersetzen. Das kann anstrengend sein. Es gibt jedoch Unterstützung: Damit Differenzen nicht starr und festgesetzt im Mittelpunkt stehen, bedarf es Denkweisen und Methoden, die dabei helfen, Konflikte als etwas Positives zu sehen und sie konstruktiv zu nutzen.

Den Diskurs um gute Streitkultur und ihren Nutzen als Innovationstreiber in modernen Organisationen - darum ging es beim 27. New Work Meet Up in der DB Mindbox am 20. Februar 2020. Zusammen mit 50 Teilnehmer*innen und den Expert*innen Anna Kader und Michael Heider (Founder emotional), sowie Heidi Dommaschke (Mediatorin und Trainerin hundred ways) näherten wir uns experimentell daran an, was gute Kommunikation ausmacht und was sie mit gutem Arbeiten zu tun hat.

Viele Unternehmen werden sich zunehmend der Bedeutung einer gestaltbaren Arbeitskultur bewusst. Manche folgen dem Trend einer flachen Unternehmenshierarchie und bauen innerhalb bestehender Systeme neue Freiräume ein. Andere setzen bereits bei Gründung auf kollaboratives Mindset und dessen Wirkungskraft. Beziehungen verändern sich, wir verbringen über den Arbeitskontext hinaus mehr Zeit miteinander und auch unsere Sprache spiegelt das neue Bewusstsein wieder: so reden wir inzwischen von gegenseitigem Vertrauen, suchen Mitarbeiter, die mit Leidenschaft ihren Aufgaben nachgehen und fordern Authentizität von unserem Arbeitgeber. Und dabei kommunizieren wir auf allen Kanälen. Alles in Butter also? 

Ohne Training geht es nicht

Oft fallen wir trotz gemeinsamer Vision und Purpose auf dieselben Kommunikationsprobleme herein wie überall dort, wo Menschen aufeinander treffen. Aber jetzt fällt uns das Austragen von Konflikten vielleicht noch schwerer, wo die Rollen nicht mehr so klar definiert sind und die Grenzen zwischen Kollegialität und Freundschaft verschwimmen. Wie  soll man sich in Konflikten begegnen, wenn schon allein das Vokabular sich in Richtung Emotionalität verschoben hat? Anna Kadar klärt hier auf: “Wir haben unser Arbeitsumfeld massiv verändert, dabei aber einige wesentliche Schritte in unserer persönlichen Entwicklung einfach übersprungen, zum Beispiel: achtsames Kommunizieren.” Glücklicherweise sei das ein Muskel, den man ganz prima trainieren könnte. Und dass dieser trainiert werden sollte, ist wichtig. 

Für mehr Menschlichkeit am Arbeitsplatz bietet eine Kultur psychologischer Sicherheit eben die Grundlage. Bewegen wir uns in einem guten und sicheren Lernbiotop, das von sozialer Empathie und guter Fehlerkultur geprägt ist, fällt es uns leichter, uns zu zeigen, wie wir sind. Vertrauen schafft Kreativität und Effektivität. Dabei ist achtsame und empathische Kommunikation eines von vielen Mitteln, diese Umgebung zu schaffen. Denn dass bei so viel Diversität auch Konflikte auftreten, ist klar. Unklar ist, wie wir ihnen begegnen, wie wir sie lösen und wie wir sie nutzen. Das haben wir oft noch nicht gelernt. In Zeiten digitalen Wandels scheint das Menschliche manchmal hinterherzuhinken. 

How to and how not to?

Es fällt schwer, dem Gegenüber richtig zuzuhören, wenn die eigene Idee oder Ansicht doch die richtige ist oder man die Lösung für das Problem (des anderen) direkt parat hat. Wir sind auf Lösungsorientierung aus - wir wollen möglichst schnell, möglichst effektiv und möglichst unkompliziert arbeiten. Und übersehen dabei die Chance, Neues zu erfahren, wenn wir vollen Fokus und Präsenz auf das Gegenüber steuern. Denn das ist sehr unbequem, wenn es der eigenen Weltsicht entgegen steht. 

Doch reines Bewusstsein über diese Thematiken reicht nicht aus. Wie leicht wir aus einer offenen, achtsamen Haltung fallen, zeigt uns der Alltag schnell und gnadenlos. Um den ‘Muskel’ für empathisches Kommunizieren zu trainieren, gab es im Meet Up drei interaktive Übungen zu zweit, zu viert und in großer Runde, die uns vor allem unser Gesprächs- und Konfliktverhalten gründlich überdenken ließen. Die kann man auch direkt in der nächsten Situation im normalen Leben außerhalb des Übungsraums anwenden:

Mini-Talks

Zum Einstieg helfen Fragen, die in kurzen Mini-Talks miteinander reflektiert wurden:

Welche Fähigkeiten braucht es für gute Streitkultur? Worin möchte ich mich dabei verbessern? Wir erleben unser Verhalten im Konflikt nicht zuletzt als Reaktion auf das Verhalten des anderen. Der bekannte Teufelskreis nimmt seinen Lauf: „Ich hab nur, weil Du... “ Mit diesen Fragen nach dem eigenen Anteil beginnen wir, Verantwortung für unser Tun zu übernehmen, statt uns hinter Vorwürfen an den anderen. 

Gesprächsstörer

Zur Vertiefung können wir unsere ganz konkrete Zuhör-Kompetenz überprüfen: 

Kann ich dem Anderen meine volle Präsenz, Aufmerksamkeit und Empathie schenken? Wie mache ich das am besten und wie nicht? Zu den typischen ‘Gesprächstörern’ gehören zum Beispiel unsere geliebten und gut gemeinten Ratschläge und Weisheiten. Auch Verallgemeinern, Bagatellisieren, Moralisieren, Korrigieren, Unterbrechen - all das trennt uns in Kommunikation mehr, als dass es uns verbindet und am Ende ist der*die Erzähler*in nur noch frustriert. Nach einer kurzen Impro-Szene von Anna, Heidi und Michael wurde das „Stören“  zu dritt ausprobiert. Schnell ist klar, wie oft uns das ganz unabsichtlich passiert und zu unserer alltäglichen Kommunikation gehört. 

Deep-Listening

Noch mehr Training der Tiefenmuskulatur funktioniert gut mit Deep Listening: Achten wir im Gespräch eigentlich auf alle Botschaften, die gesendet werden und sind wir in der Lage, alle zu erfassen und zu interpretieren? Zu fünft wurde in dieser Übung an den verschiedenen Komponenten gearbeitet: Ein*e Erzähler*in berichtet von einem Konflikt, der er*sie beschäftigt. Vier Zuhörende spiegeln auf vier Ebenen:

  • Was in der Inhalt des Erzählten? 

  • MIt welcher Mimik und Gestik wird das Gesagte unterstrichen und begleitet? 

  • Welche Gefühle und Bedürfnisse liegen vermutlich hinter dem Inhalt? 

  • Und was wünscht sich der*die Erzählende, was braucht er*sie?

Mach den Versuch: Tauche in der nächsten Situation mal tief ein in das Gesagte, nimm gleichzeitig das Drumherum wahr achte dabei auf diese vier Ebenen. Das fällt wie bei jedem Training mit der Übung immer leichter. 

Landkarten im Kopf

Wir erlebten und diskutierten intensiv auf dem Meet Up, wie komplex Kommunikation sein kann, Es hilft, sich immer wieder zu erinnern, dass wir alle was anderes wahrnehmen von der Welt. Unsere individuell geformte Landkarte im Kopf ist voll von Erfahrungen, Werten und Emotionen. Und wir halten unsere Sicht auf die Dinge gern für die Realität. Mich auf den anderen und seine Landkarte einzulassen, ist Grundlage von Empathie. Wo sie auftaucht, bildet sich der sichere Rahmen. Dadurch entsteht eine Umgebung, in der es leichter sein wird die eigene Meinung zu vertreten. Wo das leichter wird, gibt es mehr Austausch, mehr Kontroversen und letztlich mehr Lernen, war eine der Erkenntnisse der Abschluss-Diskussion. 

Was das bedeutet für unsere Streitkultur, für New Work und Innovation: bleibt offen für viele neue Ideen und Blickwinkel. Auch wenn es manchmal nervt. Das treibt uns weiter an, Fragen zu stellen und weitere New Work Aspekte in unserer New Work Berlin Meetup Reihe zu diskutieren. Stay tuned.

P.S.: Hier noch ein paar Links, falls ihr noch Anregungen zum Thema Streitkultur sucht:

  • Sociocracy - hier werden Spannungen zwischen Rollen in der Organisation genutzt, um diese kontinuierlich weiterzuentwickeln.

  • Gewaltfreie Kommunikation - hier werden authentische Gefühle dafür genutzt, um gemeinsam in Kontakt zu kommen. Dabei werden Gefühle nicht diskriminiert - sowohl traditionell “positive Gefühle", wie Freude, als auch traditionell "negative Gefühle", wie Trauer, Angst oder Wut, werden als Geschenk gesehen, die Menschen besser miteinander in Verbindung bringen können.

  • Liberating Structures - Eine Sammlung an Strukturen, die dabei unterstützen, die diverse Perspektiven konstruktiv zu nutzen.

Unsere Gastautor*innen

Heidi Dommaschke begleitet als Trainerin, Mediatorin und Coach Menschen und Organisationen im Wandel. Besonders am Herzen liegen ihr neben Inner Work, Resilienz- und Ressourcenarbeit vor allem die Weiterentwicklung von Kommunikations- und Konfliktkompetenz. Dabei treibt sie die Frage um, wie wir leben und arbeiten wollen und wie wir die Umgebung dazu aktiv mitgestalten können. www.hundred-ways.com


Conny Grünbaum kümmert sich beim IT-Berater Assecor GmbH hauptsächlich um die Personalbeschaffung. In einer Branche, in der der Fachkräftemangel deutlich spürbar ist, muss sie sich regelmäßig die Frage stellen, wie ein attraktives Arbeitsumfeld für Mitarbeiter auszusehen hat und die Umsetzung für das Unternehmen möglich ist. Dabei schätzt sie an der Arbeit in ihrem Unternehmen hauptsächlich die Freiheit und den Entscheidungsfreiraum, den sie für ihre Aufgaben eingeräumt bekommt.


Jens Hündling ist freier Trainer und Coach für digitale Transformation und New Work. Als ehemalige IT-Führungskraft kommuniziert er lieber mit Menschen als mit Maschinen und entwickelt leidenschaftlich Teams und Organisationen. Vor allem mit ostfriesischem Humor. Mehr über ihn unter https://dr-huendling.de


Zurück
Zurück

4 Spielregeln für virtuelle Teams

Weiter
Weiter

Grundlagen von New Pay - was wirklich zählt