Gruppenkonformität in selbstgeführten Teams entgegenwirken


Zuerst erschienen auf The Org Project - Science for New Work

Wie kommt es zu Skandalen wie dem Dieselgate von VW? Zur Pleite der angesehenen Fluggesellschaft Swissair? Oder zur Challenger-Katastrophe?

Wie kann es passieren, dass hochqualifizierte Leute zusammen fatale Entscheidungen treffen – die keiner von ihnen allein je getroffen hätte?

Das Phänomen heißt Groupthink (Gruppendenken) und wurde von Irving Janis im Jahr 1972 ausgiebig untersucht. Er identifizierte folgende Symptome, an denen man Groupthink erkennen kann:

Typ I: Selbstüberschätzung der Gruppe, ihrer Macht und Moral

  1. Die Illusion der Unverletzlichkeit führt zu übermäßigem Optimismus und  Risikofreude.

  2. Der nicht hinterfragte Glaube an die moralische Überlegenheit der Gruppe führt dazu, dass die Gruppenmitglieder die Konsequenzen ihrer Taten ignorieren.

Typ II: Engstirnigkeit

  1. Rationalisierung von Warnzeichen, die die Annahmen der Gruppe in Frage stellen könnten.

  2. Stereotypisierung von Gegenspielern als schwach, böse, voreingenommen, unfähig oder dumm.

Typ III: Anpassungsdruck

  1. Selbstzensur von Ideen, die vom scheinbaren Gruppenkonsens abweichen.

  2. Illusion der Einstimmigkeit bei den Gruppenmitgliedern. Schweigen wird als Zustimmung angesehen.

  3. Offener Anpassungsdruck gegenüber Mitgliedern, die die Gruppe in Frage stellen – Vorwurf der Illoyalität.

  4. Gedankenwächter – selbsternannte Wächter, die die Gruppe vor abweichenden Informationen von außen abschirmen.

Doch wie kommt es zu diesem Phänomen?

Gruppendenken tritt besonders häufig in homogenen Gruppen auf, die einen großen Gemeinschaftssinn und eine starke Führung haben – und wo ein hoher sozialer Druck zu Konformität und Harmonie herrscht.

Die Wahrscheinlichkeit für Gruppendenken steigt, wenn die Gruppe sich selbst von Ideen und Einflüssen von außen abschottet. Deshalb sind gerade Top-Führungsteams „im Elfenbeinturm“ besonders gefährdet.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Im Meeting präsentiert die Leitung ihrer Gruppe eine wirklich schlechte Idee. Insgeheim denkt jedes Teammitglied, dass das wohl nicht die tollste Idee ist – um nicht zu sagen ein Schuss in den Ofen. Aber niemand möchte derjenige sein, der es ausspricht. Ähnlich wie bei „Des Kaisers neue Kleider“. Alle Teammitglieder schauen sich um und sehen, dass die anderen still sind. Langsam beginnen sie, an ihrer eigenen (richtigen) Einschätzung zu zweifeln: „Scheinbar finden alle anderen die Idee ja doch ganz gut..“

Die Sache kommt ins Rollen und jede Kritik wird schnell wegrationalisiert. Der Druck auf jede*n Einzelne*n, der Gruppenmeinung zuzustimmen, wächst. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo es kein Zurück mehr gibt und die Katastrophe unausweichlich scheint. Gruselig, oder? Doch das muss nicht sein.

Mit diesen Tipps können Sie Gruppendenken minimieren:

  1. Advocatus Diaboli
    Ein Gruppenmitglied wird ausgewählt, den „Bösen“ zu spielen. Es soll bei jedem Vorschlag, der in die Gruppe eingebracht wird, eine ablehnende Haltung einnehmen. Dadurch müssen die Gruppenmitglieder ihre Vorschläge gut begründen. Ein weiterer Vorteil: Der Advocatus Diaboli steht nicht unter sozialem Druck zuzustimmen – schließlich soll er ja die Rolle erfüllen, die die Gruppe ihm zugedacht hat.

  2. Die Teamführung spricht zuletzt
    Die Teamführung fragt zunächst die Teammitglieder nach Ideen, Meinungen oder Alternativvorschlägen. Erst dann meldet sie sich zu Wort. Anderenfalls werden neue Gedanken im Keim erstickt.

  3. Formaler Entscheidungsprozess
    Dieser Prozess sorgt dafür, dass auch mögliche Alternativen einbezogen werden müssen. Ein Beispiel ist der „Beauftragte konsultative Fallentscheid“. Hierbei wählt die Gruppe einen Entscheider. Dieser Entscheider konsultiert daraufhin verschiedene an der Situation Beteiligte und trifft daraufhin eine für die Gruppe verbindliche Entscheidung (s. auch Oestereich & Schröder, 2017).

  4. Diversity
    Vielfalt schützt vor Gruppendenken. Denn wenn ein Unternehmen z. B. zu 90 Prozent aus weißen deutschen männlichen Chemikern über 50 besteht, die möglichst auch noch von derselben Uni kommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sehr ähnlich ticken. Verschiedene Hintergründe, Normen und Werte hingegen brechen Gruppendenken auf und weiten den Blick für alternative Lösungen.


Co-Autorin: Lydia Krüger

Quellen:

Janis, I. L. (1972) Victims of groupthink. Boston, MA: Houghton Mifflin.

Oestereich, B. & Schröder, C. (2017) Das kollegial geführte Unternehmen.


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